Nachprägung Friedensnobelpreismedaille

 „Entscheidend ist der ideelle Wert“

1971 erhielt der damalige Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) den Friedensnobelpreis. Die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung ließ die Friedensnobelpreismedaille 2017 durch ein Replikat ersetzen – gerade noch rechtzeitig

„Einbruch im Forum Willy Brandt Berlin – Replikat von Willy Brandts Friedensnobelpreismedaille gestohlen“ – diese Meldung aus der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung sorgte im November 2018 für Schlagzeilen. Denn nur anderthalb Jahre zuvor hatte ein anderer spektakulärer Raub Aufsehen erregt: der Diebstahl einer 100-Kilogramm-Goldmünze aus dem Bode-Museum – nur gut einen Kilometer vom Forum Willy Brandt in Berlin-Mitte entfernt.

„Münzen scheinen begehrte Zielobjekte zu sein, egal wie groß oder klein“, mutmaßt Wolfram Hoppenstedt, der Geschäftsführer der der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung.

Schon rein optisch dürfte den Dieben klar gewesen sein, dass die Medaille des früheren SPD-Politikers, der 1971 den Friedensnobelpreis für seinen Beitrag zum Frieden und zur Entspannung zwischen Ost und West erhalten hatte, keine 100 Kilogramm wog. Mit gerade einmal sechseinhalb Zentimetern Durchmesser und einem Gewicht von weniger als 200 Gramm dürfte auch der Materialwert für den Raub nicht ausschlaggebend gewesen sein.

„Unsere Medaille ist zwar ein Unikat, aber vom Materialwert vergleichsweise gering – zumal sie lediglich mit Gold überzogen ist“, sagt Wolfram Hoppenstedt. „Entscheidend ist der ideelle Wert.“

Aber der Goldmünzenraub aus dem Bode-Museum – wenngleich ein ganz anderes Kaliber – brachte die Mitarbeiter der Stiftung auf eine Idee. „Bis dahin hatten wir bereits hin und wieder recherchiert, ob Nobelpreismedaillen in Auktionen auftauchen“, erzählt Wolfram Hoppenstedt. Eines Tages wurden die Stiftungsmitarbeiter fündig: Die Erben eines Medizinnobelpreisträgers aus den 50er Jahren versteigerten die Medaille bei Sotheby’s für 400.000 Pfund. Daraufhin habe man sich auf die Suche nach einer Münzprägeanstalt gemacht: Ein Replikat musste her.

Denn das Stiftungsteam will in der Ausstellung nicht nur Abbildungen zeigen, sondern auch Objekte. So wie die Nachprägung der Medaille.

Diese war nach 1971 in Willy Brandts Privatbesitz verblieben und wurde nach seinem Tod samt Nachlass im Willy-Brandt-Archiv im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn aufbewahrt. Die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung hat den Auftrag, dieses Archiv auszuwerten, eine Ausstellung zu unterhalten sowie Bildungs- und Vermittlungsthemen zu Willy Brandt anzubieten. „Daher haben wir Zugriff auf das Archiv und haben die Medaille von Anfang an in unseren Ausstellungen gezeigt – das Original“, erklärt Julia Hornig aus der Abteilung Bildung und Vermittlung der Stiftung. Die Goldmedaille war Teil der ständigen Ausstellung „Willy Brandt – PolitikERleben“ im Forum Willy Brandt Berlin – bis zur Sotheby’s-Auktion und dem Goldmünzenraub.

Unter dem Eindruck der Ereignisse ließ die Stiftung die Medaille nachprägen. Denn als Bundeseinrichtung ist sie nicht eigenversichert. Bevor die Stiftungsmitarbeiter auf den Taler stießen, hatten sie auch bei der Bundesdruckerei angefragt – wegen der vielen verschiedenen Gedenkmünzen, die damals anlässlich des Nobelpreises geprägt worden waren.

„Aber die Bundesdruckerei fertigt keine Replikate an, daher waren wir sehr froh, dass wir den Taler gefunden haben – in der Liga gibt es nicht viele Spezialisten“, so Julia Hornigs Erfahrung.

Denn die originalgetreue Abbildung mit Schrift erfordere „ein großes fachliches Know-how“. „Das haben wir beim Taler gefunden.“

Im Unterschied zum Original glänzt das Replikat ein bisschen mehr, aber das darf es auch. „Ein Profi erkennt sicher sofort die Abweichungen, aber das darf sein – schließlich wollten wir keine Fälschung“, betont Julia Hornig.

Vorder- und Rückseite sind unterschiedlich. Die Originalmedaillen erkennt man im Gegensatz zu den Gedenkmünzen daran, dass es sie in Gold-, Silber– und Bronzeversionen gibt, mit oder ohne Geldwert, auf denen oft der Kopf Willy Brandts abgebildet ist – das ist bei der Preismedaille nicht der Fall.

In der Ausstellung war fortan das Replikat zu sehen. Der Dieb hatte es offenbar nur darauf abgesehen – und wähnte das Original vor sich. „Bei dem Einbruch wurde nur diese Medaille gestohlen – das Replikat. Wir hatten es nicht extra an die Auslage geschrieben“, ist Julia Hornig im Nachhinein froh. Die Kasse im Museumsshop hingegen wurde nicht angerührt. Um an die Medaille heranzukommen, zertrümmerten die Diebe eine große Glastür und eine Vitrine – und das im videoüberwachten Bundestagsgebäude. Der Sachschaden war erheblich. „Sie haben also schon einen gewissen Aufwand betrieben, um an die Medaille heranzukommen“, meint Julia Hornig.

Nach dem Einbruch hat die Stiftung den Taler mit einer zweiten Nachprägung beauftragt. „Sie hatten ja eigens dafür einen Prägestempel für die Gedenkmünze angefertigt, den gab es auch glücklicherweise noch, sodass wir das neue Replikat dann zügig in Auftrag geben konnten“, sagt Julia Hornig.

Der Dieb hat vermutlich mittlerweile mitbekommen, dass er kein Original gestohlen hat. Das liegt nun im Archiv in Bonn – und ist nach allen Regeln der Kunst gesichert. Ebenso wie die Nobelpreisurkunde – auch davon gibt es mehrere Faksimiles, die in verschiedenen Museen zu sehen sind.

Derzeit ist die Ausstellung mit der Medaille nicht zu sehen, denn die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung musste ihren bisherigen Standort verlegen. An ihrem neuen Standort nahe der Komischen Oper Berlin werden ab 2020 wieder kleine Objektpräsentationen zu sehen sein – auch die Friedensnobelpreismedaille ihres Namensgebers.